Deine Chemie

Wir widmen uns der faszinierenden und oft übersehenen Welt der Hormone: Für uns unsichtbare chemische Botenstoffe, die eine entscheidende Rolle in der Regulation unserer körperlichen Funktionen spielen. 
Sie ermöglichen es Zellen und Organen miteinander zu kommunizieren und funktionieren dabei wie eine Art körperinternes WhatsApp. So steuern sie viele lebenswichtige Prozesse, beeinflussen unser Verhalten, unsere Gefühle und somit unsere Stimmungslage. Sie können sowohl von verschiedenen Bereichen des Gehirns als auch von anderen Organen und Drüsen wie der Schilddrüse, Bauchspeicheldrüse, Nebennieren, Hoden und Eierstöcken produziert und freigesetzt werden. Dabei sind sie oft Reaktion auf bestimmte Reize innerhalb des Körpers  oder auf äußere Einflüsse, wie z.B. Stress. Die Hormone werden dabei –  mit ihrem Auftrag  "Informationsvermittlung" – zu den Zellen der unmittelbaren Umgebung losgeschickt oder über die Blutbahnen zu einem weiter entfernten Ziel transportiert. Auf den Oberflächen der Zellen oder frei in den Zellen rumschwimmend befinden sich verschiedene Rezeptoren. Diese sind Andockstellen für die Hormone, die wie ein Schloss (Rezeptor) zum Schlüssel (Hormon) passen und durch ihre Verbindung die Informationen an die Zelle weitergeben, um dort eine Reaktion auszulösen. Weil nicht jedes Hormon zu jedem Rezeptor passt und die jeweiligen Rezeptoren an und in bestimmten Zellen und Geweben verteilt sind, wirken Hormone nicht überall im Körper, sondern gezielt dort, wo Ihre Informationen gebraucht werden. Dabei wandert das Hormon durch den Körper auf der Suche nach einem passenden Rezeptor, mit dem es interagieren kann. Jetzt gerade zirkulieren hunderte Hormone in deinem Blut, wobei die Konzentration vieler davon, abhängig von der Tageszeit, der Zyklusphase, in der du dich befindest, oder sogar der Jahreszeit schwankt.

Es gibt eine Vielzahl von Hormonen im menschlichen Körper, die auf ganz vielfältige Weise in unterschiedlichen Bereichen wirken. 

Zur Veranschaulichung hier ein paar Vorzeigehormone:

  • Insulin wird von der Bauchspeicheldrüse produziert und reguliert den Blutzuckerspiegel. Durch einen Insulinmangel entsteht die Krankheit Diabetes.

  • Schilddrüsenhormone werden – wie der Name schon verrät – von der Schilddrüse produziert. Diese beeinflussen unseren Stoffwechsel und unser Wachstum.

  • Adrenalin, ein Stresshormon, wird von den Nebennieren produziert und erhöht die Herzfrequenz und den Blutdruck in stressigen Situationen, damit wir gut funktionieren und klarer denken können.

  • Endorphine sind unsere Glückshormone. Sie werden zum Beispiel durch Sport, Lachen und leckeres Essen ausgeschüttet – dabei erhöhen sie unser Wohlbefinden und Glücksgefühl und können sogar Schmerzen lindern.

Neben einer Reihe weiterer wichtiger Vertreter gibt es auch die Sexualhormone – eine spezielle Gruppe an Hormonen, die relevant für die Entwicklung und Fortpflanzung sind, sowie auch für die Regulation von Geschlechtsorganen und sexuellen Verhaltensweisen.

Das schauen wir uns mal genauer an und fragen uns zum Start, welche Sexualhormone es überhaupt gibt?

Östrogene ist der Überbegriff für eine Gruppe von weiblichen Hormonen, wobei Östradiol den wichtigsten und wirksamsten Vertreter dieser Gruppe darstellt. Sie werden in den Eierstöcken produziert und die täglich gebildete Menge variiert je nach Zyklusphase zwischen 25-100 μg (μg bedeutet Mikrogramm und stellt ein Tausendstel von einem Milligramm dar). 
Östrogene regieren über die erste Zyklusphase. Während der Reifung der Eierstockfollikel steigt ihr Gehalt  an und erreicht kurz vor dem Eisprung das Maximum. Gebildet werden Östrogene aus Cholesterin. Dies erfolgt in mehreren Schritten, über Zwischenstufen wie die Hormone Progesteron und Testosteron. Unter anderem für die Bildung von Östrogenen wird im weiblichen Körper täglich Testosteron produziert.

Östrogene spielen eine entscheidende Rolle bei der embryonalen Entwicklung, indem sie zur Ausbildung weiblicher Geschlechtsorgane wie Vulva, Uterus, Eierstöcken und Eileiter beitragen. Während der Pubertät fördern sie die Entwicklung und den Erhalt sekundärer weiblicher Merkmale, indem sie Brustwachstum und Körperbehaarung sowie den Beginn der Menstruation einleiten. Sie sind auch für die Regulierung des Menstruationszyklus verantwortlich und können durch ihre Unterbesetzung zu Unfruchtbarkeit führen.
Diese Hormongruppe beeinflusst unsere Stimmung: Steigt Ihre Konzentration bei uns im Blut, so steigert sie unser Bedürfnis nach sozialen Interaktionen, greift unserem Selbstbewusstsein unter die Arme, erhöht unsere Libido – horny Zeiten – hilft uns beim Lernen und macht uns ready to conquer the world. Dabei kann Sie sogar einen Einfluss darauf haben, wer uns gerade so gefällt, denn wir werden empfänglicher für klassisch maskuline Attribute, die uns einen höheren Testosteronspiegel des Gegenübers signalisieren, wie Muskeln, breites Kinn, Bart und vielleicht auch ein bisschen Machogehabe. 
Und als wäre das noch nicht genug, haben Östrogene auch eine breite Palette weitreichender positiver Auswirkungen auf den Körper und den Stoffwechsel. Sie tragen nicht nur zur Verbesserung des Hautbildes bei, helfen den Cholesterinspiegel zu senken und den Blutdruck zu regulieren, indem sie zur Erweiterung der Blutgefäße führen können, sondern unterstützen auch das Wachstum und die Stabilität unserer Knochen und Zähne, indem Sie die Calciumspeicherung fördern.

Gestagene sind eine weitere Gruppe weiblicher Sexualhormone, mit Progesteron als ihr wichtigster natürlicher Vertreter. Ihr Hauptbildungsort ist der Gelbkörper (Corpus Luteum), der nach dem Eisprung als Überrest des Eibläschens verbleibt. Während der Schwangerschaft werden Gestagene zudem vermehrt von der Plazenta produziert.
Progesteron erfüllt wichtige Funktionen im weiblichen Körper: Es bereitet die Gebärmutter auf eine mögliche Schwangerschaft vor, indem es das Wachstum der Gebärmutterschleimhaut (des Endometriums), insbesondere der Lamina functionalis, fördert. Diese Vorbereitung ist entscheidend für die Einnistung einer befruchteten Eizelle. Bei einer erfolgreichen Befruchtung unterstützt das Progesteron die Aufrechterhaltung der Schwangerschaft, indem es den Zervixschleim verdickt und damit für Spermien und Krankheitserreger undurchlässiger macht, um die eventuell befruchtete Eizelle und später das Embryo zu schützen. Zudem bereitet es die Uterusmuskulatur auf das Wachstum des Embryos vor.
Nach der Schwangerschaft trägt Progesteron zur Vorbereitung der Brustdrüsen auf die Stillzeit bei. Es fördert die Vermehrung der Drüsenzellen, Erweiterung der Milchgänge und auch die Bildung von Milchblasen in denen die Milchproduktion stattfindet.
Progesteron wirkt entzündungshemmend und hat neuroprotektive Eigenschaften. Das bedeutet, es kann Angst und Stress reduzieren. Es verbessert den Schlaf und hat einen eher beruhigenden Effekt auf die Psyche, sodass wir unter Einfluss von Progesteron etwas träger werden und zu introvertiertem Verhalten und Rückzug neigen können – es macht uns gemütlicher und wir wollen oft bloß raus aus dem Rampenlicht.
Ein weiterer Effekt von Progesteron ist die Erhöhung der Körpertemperatur um etwa 0,2-0,5°C. Dieser Temperaturanstieg wird für manche Verhütungsmethoden genutzt. Aber das werden wir in einem weiteren Blogbeitrag en detail thematisieren.
Neben dem natürlichen Gestagen Progesteron, gibt es noch eine Reihe synthetischer Gestagene, wie Levonorgestrel oder Desogestrel. Diese können zur Behandlung von Zyklusstörungen, Linderung von Wechseljahresbeschwerden oder im Rahmen der hormonellen Schwangerschaftsverhütung eingesetzt werden. 

Da bekanntlich aller guten Dinge drei sind, nun noch das letzte der prominenten Sexualhormone: das Testosteron. Obwohl Testosteron das Label hat, ein Männerhormon zu sein und immer wieder in Verbindung mit Männlichkeit gebracht wird, haben auch wir Frauen eine beachtliche Menge an Testosteron in unseren Körpern. Ohne Frage, Männer haben mehr davon, um genau zu sein, liegt ihr Testosteronspiegel 10 Mal höher als der von Frauen. Vielen ist aber nicht bewusst, dass im weiblichen Körper die Menge an Testosteron im Blut die meiste Zeit sogar höher ist, als die des Östrogens. Nur in seinen Peak-Phasen kurz vor dem Eisprung und in der mittleren Gelbkörperphase übersteigt die Östrogenmenge den Testosteronspiegel.
Das Testosteron wird in den Eierstöcken und in geringen Mengen auch in den Nebennieren produziert.

Und wie wirkt es bei uns?
Während der Pubertät hat Testosteron großen Einfluss auf die Entwicklung sekundärer Geschlechtsmerkmale, wie das Wachstum von Schamhaaren und die Stimmlage. Zusätzlich ist es essentiell für den Muskelaufbau und -erhalt. Frauen mit erhöhten Testosteronspiegeln neigen dazu, muskulösere Körper zu haben, was zu einem beschleunigten Stoffwechsel und einer verbesserten Fettverbrennung führt. Außerdem fördert Testosteron die Blutbildung und erhöht dadurch die Sauerstoffaufnahme, was zu einer besseren Sauerstoffversorgung der Muskeln und zu einer Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit führt – ein Grund, warum Testosteron für Dopingzwecke missbraucht wird.
Testosteron stärkt auch die Knochen, was das Osteoporoserisiko bei ausreichendem Testosteronspiegel verringert. Es erhöht jedoch auch die Talgproduktion in der Haut, was zu Hautunreinheiten oder Akne führen kann. Wie die anderen Geschlechtshormone hat Testosteron auch erheblichen Einfluss auf unsere Stimmung. Ein gesunder Testosteronspiegel kann das allgemeine Wohlbefinden steigern, unser Energielevel und Selbstbewusstsein erhöhen und uns entscheidungsfreudiger, ambitionierter, kompetitiver und rationaler machen. Darüber hinaus regt es wie Östrogen auch die Libido an.
Und nicht zu vergessen: ein großer Teil des Testosterons dient im weiblichen Körper als Vorstufe für das Östrogen!

Nun wenden wir uns ein paar weniger bekannten Akteuren unter den Sexualhormonen zu, die es dennoch richtig in sich haben:

Das luteinisierende Hormon, kurz LH, wird von der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) produziert. Es fördert die Östrogenproduktion und reguliert gemeinsam mit dem Östrogen den Menstruationszyklus. Dabei führt ein Östrogenanstieg ab einem Schwellenwert auch zu einem LH-Anstieg, was wieder zu einem Östrogenanstieg führt. Diese gegenseitige Übertrumpfung triggert letztendlich den Eisprung und bewirkt anschließend auch die Ausbildung des Gelbkörpers, welcher wiederum das Progesteron produziert. Ihr seht, LH ist ein Dirigent in dem Spektakel. Bei Männern stimuliert LH übrigens die Testosteronproduktion.

Bei FSH, dem Follikelstimulierenden Hormon, ist der Name Programm. Es wird ebenfalls von der Hypophyse gebildet und tritt zu Beginn des Zyklus auf die Bildfläche, wenn gerade die anderen Hormone kaum vertreten sind. Es leistet dabei die Vorarbeit für den Eisprung, indem es hauptsächlich für die Stimulation von Wachstum und Reifung der Eizellen in den Eierstöcken verantwortlich ist. Die Eizellen sitzen in kleinen, mit Flüssigkeit gefüllten Bläschen, den Follikeln. 
Zusätzlich induziert das FSH die Bildung eines Enzyms, der Aromatase, welches für die Östrogenbildung essentiell ist. 
Nach etwa 7-8 Tagen sinkt der FSH- Spiegel wieder, was dazu führt, dass nur ein dominanter Follikel, der Graaf-Follikel, überlebt. Kurz vor dem Eisprung steigt der FSH-Spiegel erneut, um LH bei der Einleitung des Eisprungs zu unterstützen. 
Bei Männern stimuliert FSH die Spermaproduktion in den Hoden.

Und last but not least: Das Gonadotropin-Releasing Hormon (GnRH) – der Oberboss deines Zyklus. GnRH wird vom Hypothalamus (Teil deines Gehirns) freigesetzt, wandert zur Hypophyse und befiehlt ihr sozusagen FSH und LH freizusetzen, die dann ihre aufgetragene Arbeit erledigen. Und was die beiden so drauf haben, wissen wir jetzt schon.

Hormonausschüttungen werden meist über verschiedene Regelkreise gesteuert – so auch die Sexualhormone. Diese werden über den Hypothalamus (ein Teil deines Zwischenhirns)-Hypophysen (eine Drüse in deinem Gehirn)- Eierstöcke-Regelkreis gesteuert. Dabei weist dein Hypothalamus deine Hypophyse an, die Eierstöcke zu instruieren, bestimmte Hormone zu bilden und freizusetzen. Die verschiedenen Hormondrüsen stimulieren sich aber nicht nur gegenseitig, denn die Regelkreise besitzen auch einen sogenannten Feedback-Mechanismus, durch den die Hormonproduktion wieder gehemmt werden kann. Nämlich wenn schon genug von dem jeweiligen Hormon da ist – denn es geht bei Hormonen viel ums Gleichgewicht! Ein feines Gleichgewicht der Sexualhormone ist entscheidend für die Gesundheit und das Wohlbefinden. Ist das Gleichgewicht zwischen diesen Hormonen verschoben, kann es zu einer breiten Palette an gesundheitlichen Problemen führen – von Unfruchtbarkeit, über Stimmungsschwankungen zu sexueller Dysfunktion.

Hormone sind zweifellos "der Shit", wenn es um die Regulierung zahlreicher lebenswichtiger Funktionen in unserem Körper geht. Mit einem besseren Verständnis für diese kleinen Moleküle können wir nicht nur herausfinden, warum wir manchmal so ticken, wie wir ticken, sondern auch, wie wir unser Wohlbefinden verbessern können. Es ist wie ein Teamspiel mit unseren Hormonen – je besser wir sie verstehen und unterstützen, desto besser können sie uns unterstützen. Und uns auf unserem Weg zu einem erfüllten und ausbalancierten Leben begleiten ⚖️

Quellen:

https://www.youtube.com/watch?v=1v6JSZPqOT8
https://www.hormonspezialisten.de/sexualhormone/progesteron/funktionen 
https://www.frauenaerzte-im-netz.de/erkrankungen/praemenstruelles-syndrom-pms/ursachen/#c426
https://bionorica.de/de/gesundheit/frauengesundheit/regelbeschwerden-pms/ursachen-von-pms.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Hormon#Definition
https://flexikon.doccheck.com/de/%C3%96strogen

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